knabenchor neuenhaus
  Matthäus-Passion!!
 
 
Großartiges Geschenk zum Abschied
 
Lang anhaltender Applaus im ‚Stehen nach der Aufführung der Matthäus-Passion
 
Das Publikum drei Stun­den lang in seinen Bann zu ziehen, ist eine beson­dere Kunst. Kirchen­kreiskantor Friedrich Erdmann gelang diese Leistung mit der Auffüh­rung der Matthäus-Passi­on von Johann Sebastian Bach in der fast vollbe­setzten St. Augustinus ­Kirche in Nordhorn am Samstagabend.
 
Von Irene Schmidt
 
NORDHORN. Friedrich Erd­mann, der im Spätherbst des Jahres in den Ruhestand ver­abschiedet wird, hat mit der musikalischen Inszenierung von Bachs umfangreichstem Werk, das am Karfreitag 1729 in der Leipziger Thomaskir­ehe uraufgeführt wurde, den Freunden klassischer Musik ein großartiges Abschiedsge­schenk gemacht. Atemlose Stille herrschte während der dreistündigen Aufführung in der St. Augustinuskirche, die mit ihren Fresken rund um die Kirchenkuppel zum Lei­densweg Christi den perfek­ten Rahmen bot. Das Aufge­bot erstklassiger Solisten mit Kerstin Bruns aus Bad Dürk­heim (Sopran), Annekathrin Laabs aus Dresden (Alt), Dirk Hauenschild aus Molde / Norwegen (Tenor), Panajo­tis Iconomou aus München (Bass) und Armin Kolarczyk aus Karlsruhe (Bass), ergänzt durch den Chor der Lutheri­schen Kantorei, den Knaben­chor Neuenhaus und das Ba­rockorchester „Florilegium Musicum“, schufen jedoch erst die Voraussetzungen für ein Konzerterlebnis der Ex­traklasse.
Friedrich Erdmann meis­terte die Herausförderung, die einzelnen Komponenten aus Chor, Orchester und So­listen harmonisch zu einem Ganzen zusammenzufügen. Er führte die Musiker hin zu dramatischen Höhepunkten - zum Beispiel bei den Gebe­ten Jesu, bevor er von seinen Jüngern verraten wird, oder der Szene seiner Festnahme nach dem Judaskuss und setzte als Kontrapunkt die ab­solute Stille ein. Im Kirchenschiff hätte man eine Steck­nadel fallen hören können. So führte Erdmann durch das bachsche Oratorium, das den Leidensweg Christi in den Ta­gen vor Ostern beschreibt, vom Abendmahl bis zur Grablegung nach der Kreuzi­gung. Anspruchsvolle Dialoge zwischen Chor und Solisten gelangen ihm ebenso, wie die Integration des niederländi­schen Barockorchesters „Flo­rilegium Musicum“, das ein erstklassiges Aufgebot an Streichern und Bläsern (mit Orgelbegleitung) nach Nord­horn entsandt hatte.
Die tragende Rolle in der Matthäuspassion liegt jedoch bei den Solisten. Und da hatte Erdmann die „Erste.Wahl“ in die Grafschaft geholt. Hervor­zuheben ist hier zuvorderst die Rolle des Evangelisten, gesungen von Dirk Hauenschild (Tenor), der quasi als „Erzähler“ durch die gesamte Passionsgeschichte führte und damit den größten ge­sanglichen Part zu leisten hatte. Der 42-Jährige, der jetzt als Domkantor in Molde (Norwegen) arbeitet, beein­druckte durch seine sichere Stimmführung auch in hohen Tonlagen und parallel dazu durch eine glasklare Artikula­tion, die es dem Publikum er­möglichte, auch inhaltlich dem Oratorium zu folgen.
Ein besonderes Gesangs­erlebnis bot auch der Bass, Panajotis Iconomou, der dem Jesus der Matthäus-Passion seine Stimme verlieh. Icono­mou, der 1980 als Altsolist des Tölzzer Knabenchores sei­ne Karriere startete, und der unter anderem auch bereits mit Herbert von Karajan zu­sammengearbeitet hat, be­eindruckte nicht nur durch seinen reinen, kräftigen Bass sondern auch durch sein sou­veränes Auftreten. Die Mat­thäus-Passion scheint dem Künstler, der nach seinem Studium am National Opera Studio in London (1995 bis 1998) für Auftritte in allen wichtigen Musikzentren Europas gebucht wird, in Fleisch und Blut übergegan­gen zu sein. Nicht einmal be­nötigte er das Textbuch, um sieh auf seine Einsätze zu präparieren. Konzentriert und gleichzeitig entspannt sah man ihn zwischen seinen Auftritten, eindringlich, stimmgewaltig und mit einer ungeheuren Präsenz verkör­perte er seine Rolle.
Eine ebenfalls außeror­dentliche gesangliche Leis­tung vollbrachte Kerstin Bruns (Sopran). Ihren gro­ßen Auftritt hatte sie mit der Arie „Aus Liebe will mein Heiland sterben“, die von Flöten eingeleitet wurde. Glockenhell und klar ist die Stimme der Opernsängerin und gleichzeitig weich unter die Haut gehend. Als große Kunst darf ihr Auftritt auch im Duett für Sopran und Alt (mit Chor) anlässlich der Festnahme Jesu gewertet werden.
   In diesen Rahmen passte auch die junge Altistin Anne­kathrin Laabs, die über eine sehr melodische Stimme verfügt, die sie hervorragend einzusetzen weiß. Ihr hätte man zeitweise lediglich etwas mehr Nähe zum Mikrofon gewünscht.
Nicht zuletzt beeindruckend waren auch die Auftritte von Armin Kolarczyk als Pontifex und Hoherpriester. Der gebürtige Italiener mit Engagement am Badischen Staatstheater Karlsruhe, konnte besonders in der zweiten Hälfte der Aufführung seine stimmliche Stärke offenbaren. Das gelang ihm besonders in der Arie zum Kreuzweg, die von einer düsteren Stimmung geprägt ist.
Nicht vergessen werden darf angesichts der großen Gesamtleistung aller der Einsatz der vielen Sänger und Musiker, die dem Gesang in ihrer Freizeit nachgehen. Unter den Solisten Maja Engel, Marianne Erdmann, Hartmut Heckmann und Friedrich Behmenburg muss Stephan Braun besonders erwähnt werden, der als Judas und Petrus etliche Einsätze zu meistern hatte und sich gegenüber den Profis gut behauptete.
Als harmonisches Ganzes präsentierte sich die Lutherische Kantorei Nordhorn. Der durch einige Gäste verstärkte Chor, geleitet von Friedrich Erdmann, meisterte souverän alle Einsätze, vom Rezitativ bis hin zum Choral. Sowohl die leisen Töne als auch die dramatischen Passagen und bekannten Choräle wie „0 Haupt voll Blut und Wunden“ wussten die Männer und Frauen des Chores pass- und stimmgenau umzusetzen.
Eine Bereicherung während des ersten Teils vor der Pause stellten auch die Auftritte des Knabenchores aus Neuenhaus, einstudiert von Armanda ten Brink, dar. Die Kraft der hellen Jungenstimmen verlieh dem Chorgesang einen „Gänsehauteffekt“. Schade nur, dass das Publikum nicht ahnen konnte, dass es den Knabenchor während der zweiten Hälfte des Oratoriums nicht wieder sehen würde. So wurden die 14 Jungen mit eher verhaltenem Applaus vor der Pause verabschiedet.
   Mit der Etikette hatte das Publikum eingangs ohnehin Schwierigkeiten. Nach dem wuchtigen Einstieg in das Oratorium mit Chorgesang gab es erste Klatscher, die aber schnell wieder verstummten, denn für Zwischenapplaus ist das Bachsche Werk nicht geeignet. Entsprechend unsicher war dann auch der Beifall vor der Pause anlässlich der Verabschiedung des Knabenchores. Am Ende der Aufführung gab es für die Zuhörer, die drei Stunden lang absolut still der Musik gefolgt waren, kein Halten mehr. Etwa 15 Minuten lang dauerte der Schlussapplaus. Stehend zollten die Zuhörer den Akteuren Beifall für eine Aufführung, die nicht nur in Nordhorn, sondern auch auf weitaus größeren Bühnen großen Eindruck hinterlassen hätte.
 
 
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